45 Jahre Feministische Archiv- und Bewegungsgeschichte an der RUB

Das Queer*feministische Archiv LIESELLE sammelt und archiviert seit 45 Jahren Dokumente der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung

Flugblatt des Frauenarchivs an der Ruhr-Universität Bochum, ca. 1980. Queer*feministisches Archiv LIESELLE. Rechte vorbehalten.

Feministische Archive und Bibliotheken sind Orte der Gemeinschaft und des Austauschs, an denen emanzipatorische Geschichte sich verdichtet und erlebbar wird. So auch das Queer*feministische Archiv LIESELLE, das 1978 als autonomes Frauen- und Lesbenprojekt an der RUB gegründet wurde und 2023 sein 45-jähriges Bestehen feiert.
Das Frauenarchiv (heute Queer*feministisches Archiv LIESELLE), 1978 gegründet, ist das älteste feministische Projekt an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und das älteste Archiv der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung in Bochum. Es hat als eines der wenigen Bewegungsarchive der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung, die an Universitäten in den 1970er und 80er Jahren gegründet wurden, bis heute überlebt.

Bereits 1977 formierte sich unter dem Motto „Aufbruch in die Zukunft durch die Entdeckung unserer Geschichte“ eine Gruppe von Geschichtsstudentinnen, die sich CLARAs nannten und sich im Rahmen des ersten Frauenseminars innerhalb der Geschichtswissenschaft zur Geschichte der amerikanischen Frauenbewegung 1848-1920 zusammenfanden. Sie wollten die Situation von Frauen an der Universität sowie die männerzentrierten Wissenschaftsinhalte verändern. 1978 löste sich die Gruppe in die Frauenarchivgruppe auf, in der die Idee entstand, eine eigene Sammlung anzulegen. So schreiben die Archivfrauen in einem Flugblatt von ca. 1979: „Wir sind eine kleine Gruppe von Studentinnen, die versucht, jede Art von Frauenliteratur zu archivieren und zugänglich zu machen.“

In einem Schreiben vom 8. März 1978 an die Universitätsleitung fordern die Archivgründerinnen eine finanzielle Unterstützung durch die Ruhr-Universität Bochum. Diese ist bis heute uneingelöst und das, obwohl das Frauenarchiv an der RUB im westdeutschen Bundesgebiet maßgeblich an der Entwicklung der Frauen- und Geschlechterforschung, heute den Gender Studies, mitgewirkt hat. Ohne deren wichtige Vernetzungsarbeit, das Teilen von Bibliografien, das Sammeln von ersten Forschungsarbeiten und Publikationen im Bereich der Frauen- und Geschlechterforschung hätte sich die Frauenforschung nicht an Universitäten etablieren können. Zahlreiche auch internationale Korrespondenzen in unserem Bestand bezeugen diesen frühen Aktivismus.

1997 gründeten Frauen aus Südamerika in der LIESELLE ein einmaliges spanisch- und brasilianischsprachiges Frauen- und Lesbenarchiv, das Materialien von und über Frauen und Lesben aus lateinamerikanischen Ländern und der Karibik enthält.

Flugblatt zur Präsentation des Frauen- und Lesbenarchivs mit Materialien aus Lateinamerika und der Karibik. 1997. Queer*feministisches Archiv LIESELLE. Rechte vorbehalten.

Als Bibliothek und Archiv der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung besitzt die LIESELLE einzigartige historische Quellen, die u.a. auch die Geschichte der Geschlechterforschung veranschaulichen und dokumentieren. Neben Vor- und Nachlässen feministischer Gruppen aus Bochum, in denen auch ein Autograf der Schriftstellerin Christa Wolf enthalten ist, gibt es vor Ort in GA 02/60 zahlreiche aktuelle Fachzeitschriften und -literatur der Gender Studies.

Die LIESELLE ist Teil des i.d.a. Dachverbands und trägt im Rahmen dieser Vernetzung zum Aufbau der Verbunddatenbank META-Katalog sowie dem digitalen Fachportal Digitales Deutsches Frauenarchiv (DDF) bei.

2022 hat die Künstlerin Julia Lübbecke anhand intensiver Recherchearbeit mit den Archivbeständen der LIESELLE eine Collagearbeit entwickelt, die im Foyer im Gebäude GA 02 an der Ruhr-Universität Bochum dauerhaft installiert wurde und auf die Bedeutung des Archivs verweist. In ihrer Arbeit Outrage and Order ist Julia Lübbecke gelungen, den stillen Aktivismus im Archiv sichtbar zu machen. Die Arbeit zeigt die Kontinuitäten und das Weiterleben sowie Weiterdenken von autonomer Frauen- und Lesbenpolitik hin zu queeren Politiken.

Outrage in Order, 2023 © Julia Lübbecke / VG Bildkunst Bonn


Die LIESELLE ist offen für alle Interessierten und möchte einen Raum schaffen, an dem nicht nur (Bewegungs-)Wissen bewahrt und geteilt wird, sondern auch Netzwerke entstehen und gemeinsam Ideen gesponnen werden. Es gibt regelmäßige Öffnungszeiten, zu denen alle Menschen herzlich eingeladen sind, uns in unseren Räumlichkeiten in GA 02/60 an der Ruhr-Universität Bochum zu besuchen. Ansonsten haben wir einen Instagram-Kanal (@lieselle_rub), der über aktuelle Veranstaltungen und Neuigkeiten aus dem Archiv informiert.